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Fotobericht über 10 Tage im Altai-Gebirge (20. – 29.06.2019)

Altai Hotel am Lenin Prospekt in Barnaul

Die Fotos sind chronologisch dem Reiseverlauf folgend angeordnet. Am Schluss einige Fotos aus der Stadt Barnaul, der Hauptstadt der Region Altai. Reiseveranstalter: youtoursib@mail.ru, http://www.youtour-sib.ru Adresse: г. Барнаул, ул. Гоголя 76. Die Erläuterungen während der Reise waren in Russisch.

Auf dem Tschuiski Trakt zwischen Barnaul und Bijsk (20.06.19)

Denkmal für den Schriftsteller Schukschin beim Dorf Srostki (20.06.19)

Denkmäler an der Grenze zur Republik Altai (20.06.19)

Blick auf den Fluss Katun vom Felsen „Finger des Teufels“ (20.06.19)

Mit Tüchern behängter Strauch auf dem Weg zum Felsen „Finger des Teufels“

 


Drachenzähne in der Katun, von der Hängebrücke fotografiert (20.06.19)

Erstes Quartier: Hotel mit Autowerkstatt in Tschemal (20. – 23.06.19)

21.06.19 Beim Imker. Reiches Angebot an Honig, Honigwein, Gelee Royal. (21.06.19)

In unserer Basa: Schlauchboote für unsere wilde Wildwasserfahrt auf der Katun (21.06.19)

22.06.19 Wasserfall Beltertuyuk (22.06.19)

Skythische Felszeichnungen Ajry-Dasch (22.06.19)

Okrotojski Brücke, hier ist die Katun am engsten (22.06.19)


Nastja wärmt am Ufer der Katun das Mittagessen auf (22.06.19)

Auf dem Weg zum Wasserfall Tsche Tschkysch (22.06.19)

Wasserfall Tsche Tschkysch (22.06.19)

Altaier auf dem Weg zur Jagd (22.06.19)

Stillgelegtes Wasserkraftwerk bei Tschemal (22.06.19)

Brücke auf dem Weg zur Insel Patmos, dort ist ein kleines orthodoxes Kloster (22.06.19)

Der Tschuiski Trakt führt über den Seminski Pass. Denkmal zur Erinnerung an die freiwillige Eingliederung Altais in das Zarenreich unter Katharina II. (1756) (23.06.19)

                      Am Seminski Pass, ziemlich genau in der Mitte zwischen Moskau und Wladiwostock.      Berlin, 4770 km entfernt, ist als einzige westliche Stadt genannt (23.06.19)

Verkaufsbuden am Tschike Taman Pass, Warnung vor Zecken (23.06.19)

Blick vom Pass auf die alte Karawanen-Straße (23.06.19)

Toiletten am Tschike Taman Pass mit modernem Waschbecken (23.06.19)

Zusammenfluss von Tschuja und Katun bei Inja (23.06.19)

Schamanenstein Adir Kan. Auch hier gibt es Felszeichnungen (23.06.19)

Zweites Quartier: Turbasa „Tschuiski Tal“ (23.- 25.06.19)

Basa „Tschuiski Tal“ (24.06.19)

Häuschen mit drei oder zwei Betten (24.06.19)

Wasserversorgung der Basa: Quellteich rechts, ein Rohr führt in einen Behälter, Pumpen verteilen das Wasser entweder in die Küche oder in die Toiletten. Statt Dusche: Banja

Kurajski Steppe (24.06.19)

Wie hier im Mars Tal soll es auf dem Mars aussehen – ohne die drei Jurten (24.06.19)

Route-256 (russisch P-256), die amtliche Bezeichnung für den Tschuiski Trakt (24.06.19)

Der Geysir See mit ungewöhnlichen Farben (24.06.19)

Auf der Fahrt von Aktasch zur Basa „Steinerne Pilze“. Regen hatte die Wege schlammig gemacht (25.06.19)

Am Katu-Jaryk-Pass: 700 Meter unter uns der Fluss Tschulyschman (25.06.19)

Das dritte Quartier: „Kemping Steinerne Pilze“ (25.-28.06.19)

Bei den Steinernen Pilzen (26.06.19)

Hier hörten wir den Kehlgesang eines Altaiers (26.06.19)

Der Schamanen Stein liegt auf drei kleinen Steinen (27.06.19)

Eine Fähre bringt die Busse über den 74 km langen Telezker See (28.06.19)

Das letzte Quartier im Dorf Iosatsch am Nordende des Telezker Sees (28.-29.06.19)

Haus in Iosatsch (28.06.19)

Verpackungsfreie Ecke im Laden Maria-Ra in Iosatsch (28.06.19)

Rückfahrt nach Barnaul. Mein Blick von hinten in den Bus (29.06.19)

Blick auf Barnaul von dem ehemaligen Festungshügel am Ob (30.06.19)

Der Ob in Barnaul, er entsteht 130 km südlich bei Bijsk durch den Zusammenfluss von Katun und Bija

Barnaul: Moderne Architektur

„Die drei Musketiere“ – fantasievolle Architektur in Barnaul

Barnaul ist seit dem 18. Jh. eine Handels- und Industriestadt, hier der alte Basar

Moderne Apotheke

Apotheke aus dem 18. Jh. (Museum mit empfehlenswertem Restaurant)

Fotoausstellung: Du bist etwas Besonderes – denn du bist: Papa

Unter den Erforschern Barnauls sind auf einer Tafel am Eingang zum ehemaligen Festungshügel der deutsche Zoologe Alfred Brehm (oben rechts), der deutsche Botaniker Karl Ledebur (unten links) und der russische Schriftsteller Dostojewski (unten Mitte) genannt. Barnaul ist im 18. Jahrhundert durch eine Silberschmelze groß geworden, die der russische Industrielle Akinfij Demidow gründete.

Hier kommt man nach vier Stunden Flug aus Moskau an. Wenn man Glück hat, erwischt man den Taxifahrer mit Namen Schreiner, einen Russlanddeutschen, der aus Begeisterung darüber, dass Deutsche nach Barnaul kommen, die Fahrt ins Hotel gleich mit einer Stadtrundfahrt verbindet. Er zeigte uns das Haus,, in dem er wohnt. Wenn wir Zeit gehabt hätten, wären wir eingeladen worden. Die überströmende Herzlichkeit ließ uns die Müdigkeit nach der langen Reise vergessen. Barnaul zeigte sich freundlicher als von uns erwartet, zumindest die Innenstadt, die wir in den wenigen Stunden unseres Aufenthaltes ansehen konnten.

Zehn Tage im Altai-Gebirge (vom 20. bis 29. Juni 2019)

An der Grenze zur autonomen Republik Altai begrüßte uns ein großes Willkommensschild und trotz des sonnigen Himmels ein kühler Wind. Vor drei Stunden waren wir mit dem kleinen Mercedes-Bus der russischen Reisefirma „Youtour.sib“ in Barnaul gestartet, der Hauptstadt der Region Altai. Wir waren auf dem Tschuiski Trakt gefahren, der gut ausgebauten Fernstraße, die von Nowosibirsk durch das Altai-Gebirge bis in die Mongolei führt. Erst ging es über flaches, weiträumiges Gelände des westsibirischen Tieflandes. Von den Bergen des Altai war noch nichts zu sehen. Die ersten Rapsblüten legten einen gelben Schimmer über die großen Felder. Andere bedeckte ein dichter grüner Teppich, aus ihm sollen einmal Sonnenblumen wachsen. Hin und wieder kleine Mischwälder mit Espen, Kiefern und Fichten und natürlich Birken. Über den Feldern, zwischen den Bäumen und auf der Straße wimmelte es von weißen Schmetterlingen. Wie Schneeflocken flogen sie an unseren Wagenfenstern vorbei.

Die autonome Republik Altai grenzt im Südosten an Kasachstan, im Süden ein kurzes Stück an China (40 km Luftlinie), dann an die Mongolei und schließlich an die kleine Republik Tuwa. Ihr Gebiet ist so groß wie Bayern und Thüringen zusammen, sie hat nur 218 100 Einwohner (2018), von denen ein Viertel in der einzigen Stadt lebt, der Hauptstadt Gorno Altaisk. Landwirtschaft und ein wachsender Fremdenverkehr bilden die Lebensgrundlage. Das Land ist reich an Erzen, es gibt aber so gut wie keine Industrie; diese ist in Barnaul angesiedelt.

Das Urvolk, die Altaltaier, gehören zu den Turkvölkern. Sie machen 34% der Bevölkerung aus und haben eine eigene Sprache und eine eigene Schrift. 57% sind Russen, mit abnehmender Tendenz, eine kleine Minderheit sind Kasachen (6,2%). Amtssprachen sind Russisch und Altaisch. Die Republik Altai ist nicht zu verwechseln mit der Region Altai (Алтайский край). Ein Kraj, eine Region, ist voll der Zentralregierung in Moskau unterstellt, eine autonome Republik gehört zur Russischen Föderation mit eigener Verfassung und Gesetzgebung.

Die zehntägige Rundreise mit YouTour.sib führte durch das Altai-Gebirge entlang den Flüssen Katun, Tschuja, Tschulyschman und Bija. Es wurde eine Reise in eine unbekannte Welt. Unter der Leitung der jungen Reiseführerin Nastja erlebten wir in der zwölfköpfigen Reisegruppe (neun Frauen, davon drei deutsch, drei Männer, davon einer deutsch) aufregende, manchmal anstrengende Tage in einer überwältigenden Natur. Alexej steuerte den Bus sicher auf Straßen und Wegen, die abseits des Tschuiski Traktes voller Schlaglöcher und steinig waren. „Der Bus ist 20 Jahre alt“, sagte Alexej. Das morgendliche Vorglühen des Dieselmotors dauerte sehr lange, Alexej könnte mir auch ein Mindestalter genannt haben.
Wir übernachteten in vier verschiedenen Touristenunterkünften (russisch: Basa). In der ersten im Dorf „Tschemal“ (3600 EW) blieben wir drei Nächte. Die Basa war mit einer Autowerkstatt verbunden und stand mitten im Ort. Umgebaute Militärlaster für Ausflüge in unwegbares Gelände, eine ölige Werkstatt und ein vollgeparkter Hof empfingen uns, nicht gerade das, was wir erwartet hatten. Die Gruppe wurde auf Zwei- und Dreibettzimmer verteilt. Die Dusche war reparaturbedürftig, aber die Betten waren gut und sauber. Essen gab es wegen des kalten Wetters meistens in der Küche.

Basa mit Autowerkstatt in Tschemal

Die nächste Basa „Tschuiski Tal“ bei Aktasch (2765 EW) war für zwei Nächte unser Quartier und ganz nach unserem Geschmack. Sie lag in einem Tal zwischen hohen Felswänden auf einer Wiese. Kleine Häuschen mit zwei oder drei Betten umstanden eine Feuerstelle. Es gab zwei Toiletten mit Spülung, ein Waschbecken mit fließendem Wasser und – für das Aufladen der Foto-Handys wichtig – Steckdosen in jedem Haus. Statt einer Dusche konnten wir uns in der Banja reinigen, der russischen Sauna. Eine offene Quelle speiste über ein Eisenrohr ein Plastikfass, aus dem Wasser in die Küche und zu den Toiletten gepumpt wurde.


Basa „Tschuiski Tal“ bei Aktasch

 

Häuschen mit zwei Betten

Die Basa „Steinerne Pilze“ am Fluss Tschulyschman (3 Nächte) bestand wieder aus vielen kleinen Häuschen. Nastja warnte uns, wir seien hier weit weg von der Zivilisation. Es gab abends nur stundenweise Strom. Die zwei Steckdosen im „Café“ mussten für das Laden aller Handys reichen. Eine Reihe von vier Waschbecken im Freien mit sonnenbeheiztem Wasser aus dem Fluss und vier Abtritt-Toilettenhäuschen waren die hygienischen Einrichtungen. Waschen konnten wir uns auch im knietiefen Fluss, was nach den Wanderungen sehr, sehr erfrischend war. In der ersten Nacht war es so kalt, dass wir den kleinen Holzofen anheizten, was bei dem feuchten Holz nur mit Hilfe eines Gasbrenners gelang, mit dem uns Viktor half, einer unserer Mitreisenden. Statt zum Duschen ging es wieder in die Banja.

Basa „Steinerne Pilze“ am Fluss Tschulyschman

Die letzte Nacht verbrachten wir im kleinen Ort Iosatsch am Nordende des Telezker Sees. Die Basa lag in einem Gartengrundstück am Hang mit gutem Ausblick über den Ort und den See und bot kleine Häuschen mit Zwei- und Dreibettzimmern und Waschbecken auf der Veranda. Es gab ein Plumpsklo und eine Dusche mit Sonnenheizung. Alles wieder sauber und liebenswert eingerichtet. Im Garten wuchsen Kartoffeln, Möhren, Rote Bete und Kräuter, darunter Dill in beneidenswert dicken Bündeln. Am Eingang hatte der Besitzer Autoreifen und Plastikflaschen in Kunstobjekte für seine Kinder verwandelt.


Autoreifenkunst in der Basa in Iosatsch

In den Tälern gab es erfreulicherweise keine großen Hotelbauten, nur kleine Holzhäuschen mit farbigen Blechdächern, deren knallige Farben auch unsere russischen Begleiter als störend empfanden. Aber sie sind besser als Hotelburgen – hoffentlich wird diese Bauweise beibehalten. Unter Mücken hatten wir nicht zu leiden; nur hin und wieder tauchten einzelne dieser Blutsauger auf und gelegentlich die noch unangenehmeren Pferdefliegen. Von der reichen Fauna des Altais sahen wir sonst nur Zieselmäuse, die mit Höllentempo vor uns über die Straße rannten. Am Himmel kreisten überall majestätisch Milane.
Die erste kurze Wanderung der Reise führte in praller Sonne zum „Finger des Teufels“, einem eigenartigen Felsen auf einer Bergspitze beim Dorf Souzga. Der bequeme Aufstieg auf einem breiten Weg wurde oft durch SUVs gestört, die uns in dichte Staubwolken hüllten: junge Männer in Partystimmung, die ihre schicken Gefährtinnen – diese mit Stöckelschuhen – , zum Gipfel fuhren. Das wurde aber durch die großartige Aussicht auf das grüne Tal des Flusses Katun ausgeglichen. Die Ostseite des Bergkamms war bedeckt mit gelbem Hahnenfuß und mit weißen Doldenblütlern, über denen wieder die weißen Schmetterlinge flatterten. Der leichte Wind wehte sie aus dem Tal in unsere Höhe. Ich kann mich nicht erinnern, je so viele gesehen zu haben. Unsere Reiseführerin nannte sie „Kapustnizy“ (Kapusta = Kraut, Kohl), also könnten sie zu den Kohlweißlingen gehören, wenn auch die geometrischen Zeichnungen auf den Flügeln und deren Form anders waren als bei unseren Faltern mit diesem Namen. Weit und breit sahen wir keine Kohlfelder.

Vorn der „Finger des Teufels“, links der Fluss Katun

Ein besonderes Erlebnis war der Besuch des „Marsfeldes“. Die lange, anstrengende Fahrt auf holprigem Gelände wurde durch einen Abstecher auf einen Aussichtspunkt in der Kurajski Steppe unterbrochen, den der Bus nur ohne uns erreichen konnte, weil der Motor den steilen Hang sonst nicht geschafft hätte. Vor uns lag in der Ferne die schneebedeckte Bergkette der Belucha (4506 m), das Grenzgebirge zur Mongolei.

Blick von der Kuraiski Steppe auf die Belucha-Kette

Das Marsfeld ist ein Gebiet mit Felsen in vielen Farben von weiß über gelb zu braun und rot. Selbst grün schimmernde Steine sind zu finden. Die Fahrt in dem von der Sonne aufgeheizten Bus hatte sich gelohnt. Wir genossen den Aufstieg in der kühlen Luft und den Blick auf die bunten Felsen. Durch eine schmale Schlucht, die das alljährliche Schmelzwasser in das lockere Gestein gegraben hat, stiegen wir ab. Im Winter liegt hier viel Schnee bei Temperaturen bis minus 50 Grad.

Steiler Anstieg im Marsfeld


Schlucht im Marsfeld

Einen weiteren Höhepunkt der gewaltigen Landschaft erlebten wir auf der Fahrt von der Basa bei Aktasch zur Basa „Steinerne Pilze“. In Aktasch verließen wir den Tschuiski Trakt und fuhren bei kaltem Regenwetter Richtung Norden über Balyktujul auf ein Hochplateau. In der Nacht hatte es auf den Bergkämmen geschneit. Die Straße war dank des Regens nicht mehr staubig, worin unser Fahrer einen großen Vorteil sah. Nachteilig war der schmierige Matsch, der den Boden so glatt machte, dass wir den Bus an einer Steigung schieben mussten, weil die Räder durchdrehten. Die Fahrt führte durch rasch wechselnde Flora, durch Wälder und Wiesen mit reichem Blumenschmuck, leuchtend gelbe Ogonki (Feuerblumen. Diese hatten wir 2015 schon am Jenisej gesehen), wilde Pfingstrosen und Akeleien und viele andere.


700 Meter unter uns fließt der Tschulyschman.

Mittagsrast war am Katu Jaryk Pass. Hier endete die auf 1600 m Höhe liegende Hochebene, vor uns fiel das Gelände in ein tiefes Tal ab. 700 Meter unter uns strömte der Gebirgsfluss Tschulyschman blaugrün zwischen steilen Granitwänden. Ein dramatischer Anblick. Der Weg nach unten war steinig und an dem abschüssigen Hang mit engen Kurven nur für kleine Autos geeignet. Der Bus fuhr ohne uns hinunter; wir mussten, oder besser, wir durften laufen. Nach einer mehr als einstündigen Wanderung waren wir unten – in einer ganz anderen Welt zwischen den hohen Felswänden. Entlang des Flusses holperte der Bus auf steinigen Wegen weiter bis zur Basa „Steinerne Pilze“.

Dort wurden wir am nächsten Tag mit einem kleinen Boot an das andere Ufer des Tschulyschman gefahren. Nachdem wir eine Brücke überquert hatten, deren Belag viel Durchblick auf das unter uns strömende Wasser gewährte, begann ein Aufstieg über einen Hang, der dicht mit niedrigen grünen Pflanzen bewachsen war. Ein russischer Kenner bestätigte die Vermutung: Es war Hanf, Cannabis.


Vorn steinerne Pilze, dahinter die Tschulyschman und die Basa

Aus der Höhe bot sich eine eindrucksvolle Aussicht auf den Fluss und das flache Tal, auf unsere Basa und die glatten Wände der gegenüberliegenden Berge. Dann ging es entlang einer Felswand hoch über einem Tal zu unserem Ziel, zu den Steinernen Pilzen, schmalen Felsspitzen mit großen Steinen wie Köpfe obendrauf. Auf den bröckeligen Wegen war das nicht ganz einfach. Nach drei Stunden zurück in der Basa erfrischten wir uns im Tschulyschman.


Die Steinernen Pilze

Dreimal war statt Duschens die Reinigung in einer Banja angesagt. Das war für mich jedes Mal ein besonderes Erlebnis, denn es hatte mit meinen westeuropäischen Sauna-Erfahrungen wenig gemein. Frauen und Männer kamen getrennt zu unterschiedlichen Zeiten dran. Der Vorraum zur Sauna war schon so warm, dass ich tief Luft holen musste. Die Sauna selbst war dann atemberaubend heiß. Bevor ich mich unter ermunternden Zurufen der Russen auf die heiße Bank legen konnte, musste sie mit Wasser abgekühlt werden. Dann folgte das Abklopfen mit eingeweichten Birkenzweigen, die jedes Mal in das Wasserbecken getaucht und über dem Saunaofen ausgeschüttelt wurden. Der Dampfstoß war eine Wohltat. Danach hieß es sich im Vorraum einseifen und das Wasser aus Schüsseln über den Kopf gießen. Es folgte die Abkühlung im Fluss, nicht ohne die besorgte Frage „Ist das Herz in Ordnung?“. Es gab nur einen Saunagang. Nach 50 Minuten war alles vorbei. Die beiden Russen ernannten mich schulterklopfend zum „Russki Muschik“ und nahmen mich in den russischen Banjaclub auf, denn ich hatte – wie sie Rose anerkennend sagten – 120 Grad ausgehalten. Mir ging es nach dieser Tortur bestens.

Verpflegt wurden wir von unserer Reiseführerin Nastja, deren Geschick wir bewunderten, in kürzester Zeit für 14 Münder immer gut schmeckendes Essen zu zaubern. In den Basen gab es Gasherde, unterwegs wärmte sie das Essen mit einem kleinen Gaskocher. Zum Frühstück gab es jeden Tag „Kascha“ (Brei) abwechselnd mit Buchweizen, Graupen, Haferflocken, Gries oder Reis. Mal süß mit Früchten als Geschmackgeber, mal herzhaft mit wenig Fleisch. Dazu verschiedene Brote mit Butter, Marmeladen und Honig, Tomaten und Gurken, Käse und Wurst. Kaffee, schwarzen Tee und verschiedene Sorten Kräutertees. Mittags und abends Salate und Brote. Als Hauptgericht Suppen (Borschtsch, Soljanka, Ucha, eine Fischsuppe, Akroschka, eine kalte Suppe mit Essiggurken und Kwas), Nudeln mit Schaschlik, Kartoffeln mit Fisch oder mit Würsten… Immer standen die russischen eingepackten Pralinen (Konfjety) und Kekse verschiedener Art auf dem Tisch. Für Marina und mich, die wir keine Zwiebeln essen können, gab es alle Salate und Hauptgerichte zwiebelfrei. Es war wirklich erstaunlich, was uns unter den einfachen Verhältnissen geboten wurde. Die Lebensmittel kaufte Nastja in den größeren Orten für mehrere Tage, am Markt oder in Geschäften der altaischen Supermarktkette „Maria-Ra“. Gegessen wurde in der Regel in der Küche oder unterwegs an überdachten Tischen mit festen Bänken, manchmal in gemütlicher Enge. Auf den Wanderungen holten wir unser Trinkwasser oft aus den Wasserfällen – sehr erfrischend.

Anja füllt ihre Flasche im Bach

An heiligen Orten werden von den Altaiern Bäume und Sträucher mit weißen Bändern behängt, welche Wünsche symbolisieren und zum Beten auffordern. Auch Steinhaufen haben diese Bedeutung. Steine sollen daraufgelegt, aber nicht weggenommen werden. Wir haben viele Orte besucht, die von den Schamanen als heilig angesehen werden. Seit der Wende sind diese Naturreligionen wieder im Wachsen. Bei der Basa „Steinerne Pilze“ wanderten wir zu einem auf einem Hügel liegenden „Schamanenstein“, einem riesigen Felsbrocken, der auf drei kopfgroßen Steinen liegt und zu schweben scheint. Schamanische Kräfte haben ihn dahin gebracht.


Nastja erläutert die heiligen Steinhaufen, hinten ein Strauch mit Tüchern

Schamanenstein bei der Basa „Steinerne Pilze“, er liegt auf drei kleinen Steinen.

Einen ungewöhnlichen Abend erlebten wir bei einem Altaier, der uns den Kehlkopfgesang vorführte. In seinem „Ail“, einem achteckigen Holzbau, der festen, nicht transportablen Art der Jurte, saßen wir um ein Feuer und lauschten den dumpfen Tönen, die er seiner Kehle entlockte. Sie ähnelten dem Klang einer Maultrommel. Dazu begleitete er mal sich mit einem zweisaitigen langhalsigen Streichinstrument (Topshur), mal mit einer dreisaitigen Balalaika. Er trug uns einige Lieder vor, so die ersten 150 von insgesamt 1500 Versen einer altaischen Legende und zeigte uns damit eine alte altaische Volkskunst: das Geschichtenerzählen mittels des Kehlkopfgesanges, der eine meditative, beruhigende Stimmung erzeugte. Manche dieser Geschichten erstrecken sich über viele Stunden. Die einfache, wenige Takte lange Begleitmelodie wurde bordunartig wiederholt und entsprach, mich überraschend, unseren europäischen Harmonien. Weil er uns hatte reden hören, sang er auch ein kurzes Lied in Deutsch, „Winter ade“.


Kehlgesang in der Ail

Noch ungewöhnlicher war ein zweistimmiger Gesang aus seiner Kehle, bei dem er zu den tiefen Tönen eine flötenähnliche Melodie erzeugte, sehr beeindruckend. Außer ihm können dies im Altai nur zwei Männer, dazu bedarf es der Gabe von Geburt an und vielen Übens. Nach dem Konzert erklärte er (55) vor dem Ail, sein Ziel sei, sich Schamane nennen zu können. Dazu fehle ihm noch die Gabe, gute Kräfte auf andere Menschen zu übertragen. Die denkwürdigen Stunden endeten in der hereinbrechenden Dunkelheit mit dem kurzen Heimweg. Zwischen den dunklen Felswänden des schmalen Tales leuchtete der Abendstern.

Unser letzter Tag in der Republik Altai begann mit einer 47 km langen Busfahrt durch das Tschulyschman Tal zum Südende des Telezker Sees, dem größten und 351 m tiefen See des Altai. Der Bus mit dem Gepäckanhänger wurde auf einen längsseits an ein Motorboot gebundenen Ponton verladen und fuhr ohne uns, da er für die Durchquerung des Sees vier Stunden brauchte.

Am Telezker See

Nach einer langen, erholsamen Mittagspause am Strand tauchten zwei kleine Motorboote auf, die uns die 74 km lange Strecke zum Nordende fuhren. Zwei Stunden rasten wir auf dem schmalen See dahin, an den steilen Uferhängen nichts als dunkler Taiga-Wald. Auf der östlichen Seite ein menschenleeres Naturreservat, in dem ein Jäger über die dort lebenden Schneeleoparden wacht. Die westliche Seite zeigte erst gegen Ende Zeichen von Zivilisation, einzelne Häuser und Anlegestellen und schließlich unser Ziel, das Dorf Iogatsch mit unserem letzten Quartier.

Am nächsten Tag, dem letzten unserer Rundreise, ging es entlang des Flusses Bija, der in großer Breite aus dem Telezker See fließt und sich bei Bijsk mit der Katun zum Ob verbindet, zurück nach Barnaul.

Einer unserer ständigen Reisebegleiter: er lag mit vielen anderen auf der Straße

Auf der langen Bootsfahrt begegnete uns wieder das Naturphänomen, das uns auf der ganzen Reise begleitet hatte: die weißen Schmetterlinge. Sie flogen zu Hunderten an unserem Boot vorbei. Viele taumelten kraftlos ins Wasser, auf dem sie sterbend umhertrieben und das blaue Wasser mit weißen Flecken besprenkelten. Ende ihres Lebens, Ende unserer Reise.